Neu

Was heißt denn hier Neu?

Neugierige kosten ein Appetithäppchen, Stammgäste können auf einen Blick erkennen, ob einzelne Haiku, Tanka, Haiga oder Haibun von Georges oder Gabriele Hartmann neu veröffentlicht wurden, welches neue Buch der bon-say-verlag gerade herausgegeben hat, ob schon eine Rezension erstellt wurde und vieles mehr.

Allerdings ist nach spätestens drei Monaten auch das Neue nicht mehr neu genug und wird aus dieser Auflistung verschwinden.

Welche Veranstaltung man sich vormerken sollte, sehen Sie unter Termine.

Tipps:

Öfter mal reinschauen, damit Sie nichts verpassen.

Und wenn Sie gerne weitere Haiku, Tanka & Co lesen wollen, klicken Sie unter Verlag die Buchcover an. Dort sind Leseproben und Rezensionen hinterlegt. Und alle Haiga finden Sie unter Markt.

Viel Vergnügen wünscht

Gabriele Hartmann

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neu am 1. Juli 2024
1 Haiga von Gabriele Hartmann

klirrendes Glas


klirrendes Glas
ich erzähle mir
ein Märchen

erst: bei Haiga im Focus, Hrsg. Claudia Brefeld

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neu am 1. Juli 2024
ein Haiku von Gabriele Hartmann

gegen die Zeit
mein schwankender Blick
folgt der Schildkröte


erst: bei Haiga im Focus, Hrsg. Claudia Brefeld

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neu im Juni 2024
1 Haiga-Postkarte von Georges (Fotos) und Gabriele (Haiku und Gestaltung) Hartmann

schwere Wolken


schwere Wolken
der Regengott
lässt sich herab


Postkarte „schwere Wolken“ A6, 1 €

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1 Haiga-Postkarte von Georges Hartmann

Herbstblätter


Herbstblätter
einem König gleich schreite ich
über den Teppich


Postkarte „Herbstblätter“ A6, 1 €

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eine Haiga-Postkarte von Gabriele Hartmann

Nachtigall


die Nachtigall
auf Zehenspitzen verlasse ich
das Baugebiet

Postkarte „die Nachtigall“ A6, 1 €
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neu am 15. Juni 2024
1 Haiku von Gabriele Hartmann

Nieselregen in mein Ohr tropft ein Flüstern

neu am 15. Juni 2024
1 Haiga von Gabriele Hartmann

Orakel


Orakel
er liebt mich … er liebt nicht nicht … er liebt …

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neu am 15. Juni 2024
1 Haiga von Georges Hartmann

schneller wird mein Schritt


schneller
wird mein Schritt – so viele Augen
hinter blinden Fenstern

alle erst: haiku-heute.de; Hrsg. Dr. Volker Friebel

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neu am 12. Juni 2024
2 Haiku von Gabriele Hartmann

Reviergesang
das Röhren
seiner Harley

Aprilsonne
der Wind stempelt ein Lächeln
in mein Gesicht

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neu am 12.Juni 2024
1 Haibun von Georges und Gabriele Hartmann

Rückenwind


Rückenwind
im Labyrinth der Worte
dein Nicken

Foto: Georges Hartmann, Haiku: Gabriele Hartmann

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neu am 12. Juni 2024
2 Haibun von Gabriele Hartmann

LUFT
Haibun

Ondulierter Qualm … Dunst legt sich auf die Dächer. Ein rascher Blick zur Uhr: reicht. Strebe dem Ärztehaus zu, vor dessen Eingang Rauchopfer erbracht werden. Einer hustet, tritt seine Kippe aus, steckt sie ein. Ich zieh’ mir die schwere Tür auf. Puh.

Birke & Hasel
im Windfang
tanzende Pollen

Das Untersuchungszimmer: ein gefangener Raum. Der Ventilator surrt, mischt abgestandene Gerüche und … „Tief einatmen“, sagt die Ärztin zum wiederholten Mal.

zu Risiken und Nebenwirkungen … ich kräusele die Stirn

„Allergisch. Kann Asthma werden.“ Dann ist es vorbei. Folge dem Pfeil „Ausgang“. Der Nebel hat sich gelichtet. Schleierwolken kaschieren das Blau. Ein Täuberich wirft sich in die Brust. Geziert trippelt ein hübsches Täubchen vor ihm her, pick hierhin, dorthin, scheint ihn zu ignorieren – oder?

***

ZAHLEN, BITTE
Haibun

Merle sei schon fünf. Ein aufgewecktes Kind.
„Du heißt wie meine Oma“, verkündet sie mir.
„Wie alt ist denn deine Oma? Jünger oder älter als ich?“, frage ich mit schelmischem Lächeln.
Merle schaut mich prüfend an, zuckt die Achseln.
Eine junge Frau tritt hinzu, mustert mich von oben bis unten. „Jünger“, entscheidet sie.
Merles Mutter meint: „67, 68 vielleicht.“
„69,70“, sagt der Kellner nach einem kurzem Blick auf sein Display und schüttelt die Börse.

das Plissee
meiner Lippen
wilder Mohn

neu am 12. Juni 2024
ein Tan-Tenga von Michaela Kiock und Gabriele Hartmann

Gezeitenwechsel
ihr erster Morgen
im Heim

der Blick streift
den Mond

MK / GH

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neu am 12. Juni 2024
2 Rengay von Deborah Karl-Brandt & Gabriele Hartmann

SUNBLOCKER
Rengay

alte Panzerstraße
wir nehmen den Mond
ins Visier

für den Ausflug in Grüne
schnell noch Sunblocker kaufen

auf Pilgerreise
zwei Nacktschnecken
Kopf an Kopf

Rapsfeld
Bienen und Blüten und
der Geruch von Sex

unter ihrer Bettdecke
ein alter Playboy

Wind of Change
ein vertrauter Name
auf dem neuen Pass

GH: 1, 3, 5 / DKB: 2, 4, 6


PLÜSCH
Rengay

den Tee einschenken
in ihrer vollen Pracht
Kirschblüten

sein Blick streichelt
das Dekor

die Last
ungesagter Worte
Asthmaanfall

durchs Fenster
weht ein Duft und
Rosenstolz

Plüschschwein
der Preis der Erinnerungen

ums Hochzeitspaar
ranken Märchen – im Osten
die rote Sonne

DKB: 1,3,5 / GH: 2,4,6

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neu am 12. Juni 2024
ein Bericht von Gabriele Hartmann


GRÜN
Wiesbaden, 14. April 2024, Ginko.

schreiendes Grün
mein Blick irrt
von Baum zu Baum


Wir schlendern durch den Kurpark. Am Hintereingang des Kurhauses werden sich um 13 Uhr sechs Interessierte zum Haiku-Spaziergang treffen. Ruth Karoline Mieger hat hierzu eingeladen und lässt uns ihre Welt mit allen Sinnen erleben. Beim Weiher lauschen wir mit geschlossenen Augen dem Plätschern der Fontäne. Erleben, wie dieser Klang sich verändert, als wir die Hände hinter die Ohrmuscheln legen. Entdecken im Duft der Akazie einen Kontrapunkt, der von einem Mülleimer ausgeht. Blind lassen wir uns führen, berühren Blätter, Knospen, Bäume und Metall, ertasten Strukturen und erfahren einander im Dialog.

rotweiße
Blümchen – Gänse
schnattern schon


Rita Rosen

Stockenten konkurrieren mit invasiven Arten und Menschenkindern, die auf weiten Rasenflächen rasten, ruhen, lachen, spielen. Flüchtige Notizen werden gemacht, besondere Augenblicke mit der Kamera festgehalten.


Knirschender Kies – Ortswechsel. Wir verlassen den Park an dessen Westseite, drehen uns nochmal um.

das eiserne Tor
dahinter eine Fülle
an gelben Rosen


Anita Falke

Die THermine passiert unseren Standort. Wir wechseln zum Warmen Damm, bestaunen Skulpturen wie Spielende Hengste, Keil, Figuration und Leben, erfahren angesichts der Denkmäler von Schiller und Kaiser Wilhelm I. sowie angrenzender Villen viel über Wiesbadens Geschichte und Kultur. Der Frühling entfaltet eine zauberhafte Kulisse für Erinnerungen und Beobachtungen.

einsamer Playboy
über dein schütteres Haar
streicht nur noch der Wind


Georges Hartmann

Ein Steinernes Schiff gibt Rätsel auf, Wasservögel erwehren sich badender Hunde, Frisbee-Scheiben zerschneiden erste Mückenschwärme. Allenthalben Frühblüher. Magnolien haben sich bereits ihrer weißen Kleider entledigt, Narzissen verwelken vor dem Wasserspiegel, zwei Kirschbäume (Sakura) laden zu Hanami ein.

japanische Kirschblüte
ihr Duft verflüchtigt
im Straßenlärm


Ruth Karoline Mieger

Langsam wird es Zeit, den für uns reservierten Tisch im Karim’s zu besetzen. Im Innenraum ist es noch angenehm ruhig, haben doch die meisten Gäste auf der Terrasse Platz genommen. Schnell vertiefen wir das Gespräch, tragen das eine oder andere Haiku vor. Lebhaft wird diskutiert, gefragt, genickt.

clochettes du muguet
sous la brise du printemps
pies á l’écoute


Verona Costache

Maiglöckchen-Glocken
unter der Frühlingsbrise
Elstern lauschen


Und die Zeit? Verfliegt. Wir sind uns einig: Das möchten wir gerne wiederholen! Schwer nur können wir uns trennen, begleiten einander, lösen uns schließlich doch.

Frühlingswind – die Gischt der Fontaine auf meiner Haut

Einen grünen Pfeil identifiziere ich zu guter Letzt als Halsband-Sittich – 5000 von ihnen soll es hier geben –, kann ihm mit den Augen kaum folgen, so schnell verschwindet er im Wipfel einer uralten, riesigen Kastanie. Meine Kamera hat keine Chance.

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neu am 12. Juni 2024
ein Bericht von Gabriele Hartmann

TANDEM

Freitag, 5. April 2024, 17 Uhr 25, Sparkasse Montabaur.

Hammerschläge – das Geräusch passt nicht in eine Schalterhalle. Eine Frau kniet auf der Erde, Glassplitter bedecken den Boden. Vor ihr ein zerstörter Bilderrahmen. Sie löst Rückwand und Passepartout, legt beides in einen identischen Rahmen, es erklingen Schläge eines schweren Tackers, dann ist das Bild neu gerahmt. Die Frau bin ich. Das Bild – genau gesagt zwei Haiga in einem gemeinsamen Passepartout – befestige ich mit Georges’ Unterstützung wieder an dünnen Drähten vor einer Stellwand.

Besser, ich beginne von vorne. Das Kunstforum Westerwald e.V. hat das Projekt TANDEM ausgelobt. Ein Dutzend Mitglieder beteiligt sich daran. Zusammen mit externen Künstlerinnen und Künstlern sollen Gemeinschaftsprojekte zu den Themen „Partnerschaft, Dialog und Frieden“ erarbeitet werden. Wie und was bleibt dem jeweiligen TANDEM überlassen. TANDEM-Partner finden sich bei „Art moves Europe e.V.“. Einige fehlen noch, ich schlage Claudia Brefeld und Christof Blumentrath von der Deutschen Haiku-Gesellschaft e.V. (DHG) vor, beide erklären sich zur Teilnahme bereit. In einem öffentlichen Akt werden TANDEM-Teams ausgelost. Als letztes Paar zieht die Glücksfee Georges und Gabriele Hartmann aus dem Hut: Wenn’s denn so sein soll.

Die Paare haben mehrere Wochen Zeit, einander kennenzulernen, sich aufeinander einzulassen, ihren Beitrag zu den vorgegebenen Themen zu erarbeiten. Manche erschaffen zwei Kunstwerke, manche ein gemeinsames, manche gleich mehrere. Es entstehen Skulpturen, Objekte, Gemälde, Fotografien, Texte jedweder Technik und Couleur. Die Ausstellung wird am 4. April aufgebaut. Zum ersten Mal sieht man, welche Vorstellungen die jeweiligen Paare zu welchem Themenbereich kreativ umgesetzt haben. Auch Gabriele Friederichs hat Haiku präsentiert, vielleicht wird sie Mitglied der DHG. Leider kann ich hier nicht alle Arbeiten vorstellen, aber die TANDEM-Werke von Claudia und Christof:

frühmorgens am Strand
zerbrochene Boote
Lampedusa

Claudia Brefeld
(Foto & Haiku)

Manfred Wendel
(Draht-Objekt)


stiller Morgen
der Steinmetz buchstabiert
Frieden


Christof Blumentrath
(Haiku & Foto)

Simone Berling
(Malerei, Collage)

Zur Vernissage am Freitag sind rund 100 TANDEM-Teams bzw. Gäste eingetroffen. Simone Levy – zuständig für Vorbereitungen, Paarbildung, Zusammenarbeit & Ausstellung – erklärt die Entwicklung des Projektes, die Sparkasse freut sich über die anspruchsvolle Bereicherung ihrer Räume, dann haben Künstlerinnen und Künstler das Wort. Gemeinsam dreht man eine Runde durch die Schalterhalle, schreitet von Werk zu Werk, erfährt, was die Paare mit ihren Werken bewegen wollen. Es werden Fotos geschossen, ein Video gedreht, Fragen gestellt, Aussagen getroffen: eine lebhafte Vorstellung.

Koexistenz


Koexistenz   wir finden Antwort auf die Parolen

Georges Hartmann (Foto)
Gabriele Hartmann (Haiku)

Friedensdemo


zur Friedensdemo
ein Grußwort
vom lieben Gott


Georges Hartmann (Haiku)
Gabriele Hartmann (Foto)


Nochmal zurück: Kurz bevor wir uns auf den Weg zur Vernissage machen, hatte ich eine E-Mail erhalten: Unser Bild sei runtergefallen, ob ich nicht noch so einen Rahmen hätte …

Die TANDEM-Paare umstehen mich, beobachten meine Reparaturarbeit, wundern sich über meinen sachkundigen Einsatz professioneller Gerätschaften. Zwei erzählen, sie hätten links und rechts von unserem Bild an ihren Aufhängungen gearbeitet, als es mit lautem Knall „einfach runtergefallen“ sei. Niemand erklärt sich verantwortlich.

Schaden-Freude – wir genießen ungeteilte Aufmerksamkeit

An dieser Stelle könnte mein Bericht über die Ausstellung enden. Ich kann aber der Versuchung nicht widerstehen, auch das zweite TANDEM des Teams Brefeld/Wedel vorzustellen:

Claudia Brefeld
Bayeux
Haiku-Sequenz

endlose Reihen
weißer Stelen
Soldatenfriedhof …

plötzlich ein Frösteln
auf der Haut

jäh öffnet der Himmel
seine Schleusen –
Paraguas?

zwei fremde Augen
laden mich ein
Für wen? Für wen?*

im gemeinsamen Schweigen
liegt Unsagbares …

beim Abschied
am Schirmrand kleine Sonnen

die Berührung
unserer Hände
warm

*Louis Fürnberg (1909-1957) Vogesenballade


alles vom 12. Juni 2024 erst in Sommergras 145, Hrsg. Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V.

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neu am 1. Juni 2024
1 Haiku von Gabriele Hartmann

Wege
die sich kreuzten – erinnere mich
an deinen Namen

erst: Haiga im Focus; Hrsg. Claudia Brefeld

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neu am 1. Juni 2024
ein Haiga von Gabriele Hartmann

Nachtigall



Rotschwänzchen
auf Zehenspitzen verlasse ich
das Baugebiet


erst: Haiga im Focus; Hrsg. Claudia Brefeld (Die Abbildung zeigt die Haiga-Postkarte „die Nachtigall“, 1 €)

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neu am 15. Mai 2024
1 Haiga von Georges Hartmann

Aufklärungsflug



Aufklärungsflug
beim rostigen Gleis nisten
Lerchen im Schotter


erst: haiku-heute.de; Hrsg. Dr. Volker Friebel

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neu am 15. Mai 2024
1 Haiga von Gabriele Hartmann

Bild

dein Morgengesicht


dein Morgengesicht
schimmernd – noch immer
der Mond

erst: haiku-heute.de; Hrsg. Dr. Volker Friebel

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neu am 1. Mai 2024
1 Haiga von Georges (Foto) & Gabriele (Haiku) Hartmann

Carpe Diem


Carpe Diem
der kleine Antiquitätenladen
hat noch geöffnet

erst: Haiga im Focus; Hrsg. Claudia Brefeld

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neu am 16. April 2024
ein Heft von
Dorothea & Norbert Flemming, Georges & Gabriele Hartmann

Be-Geisterung

Be-Geisterung – Renshi

Rezension von Brigitte ten Brink

BE-GEISTERUNG

Renshi

Dorothea & Norbert Flemming, Gabriele & Georges Hartmann: BE-GEISTERUNG. Renshi. Paperback. bon-say-verlag Höchstenbach. 2024. 24 Seiten. Titelfoto Buch an Buch: Georges Hartmann. Covergestaltung: Gabriele Hartmann. ISBN 978-3-945890-55-4. Zu beziehen unter info@bon-say.de

Bei der Besprechung dieses Büchleins fange ich von hinten an, beim Nachwort nämlich. In diesem wird erklärt, um was es sich bei einem Renshi handelt.

Renshi zählen zu den Kettengedichten, die von mehreren Verfassern abwechselnd geschrieben werden. Im Gegensatz zu anderen Formen der Kettendichtung, wie z. B. Tan-Renga, Rengay, Renhai oder dem Junicho ist sowohl die Anzahl der Kettenglieder frei, als auch ihre Form. Ebenso gibt es keine bestimmten inhaltlichen Vorgaben, die erfüllt werden müssen.  Wichtig ist allerdings, dass die Schreiber der einzelnen Kettenglieder, jeweils ein Wort oder den vordergründigen Sinn aus dem vorhergehenden Text aufgreifen und daran anknüpfen, dem Text aber eine weitere Ebene, einen weiteren Gedanken hinzufügen.

Die vier Autoren dieses Büchleins haben einen gemeinsamen Besuch des Klosters Maria Laach in der Eifel als Anlass zum Schreiben genommen. Entstanden sind so gedankenvolle und tiefgründige Texte, die sich mit Gott und der Welt, dem eigenen Erleben und Empfinden sowie den Assoziationen beschäftigen, die die Umgebung und der vorhergehende Text auslösen. Aufgrund der freien Form, sind die einzelnen Kettenglieder mal kürzer, mal länger, in Prosa mit oder ohne Haiku oder Tanka, eher erzählend oder eher lyrisch verfasst, jedoch aufeinander aufbauend, anknüpfend, so dass der Leser immer wieder von neuen Aspekten überrascht wird

Um dieses Prinzip bzw. Konzept der Renshi-Dichtung und die unterschiedliche Formgebung zu veranschaulichen, hier ein Beispiel aus dem Büchlein:

fraglos ein wahrer Freund
der sein Bedürfnis
hintanstellt

… zur Erleichterung seiner Freunde

Dorothea


Freunde, die ich lange nicht gesehen … Mein Kopf sucht nach Worten, findet wie immer keinen Anfang … Hölzern wie eh und je und im Gehirn nur leere Wüste und die Angst vor dem ersten Wort. Das Kloster wie ein Bollwerk gegen den Ungläubigen trutzig und abweisend, kalt und düster das Innere, legt es mein Gemüt lahm, bis dann plötzlich die Erinnerung an jene Kapuzinermönche durchs Gehirn zuckt, welche bei meiner schwerhörigen, von der Gicht geplagten Oma zu oft ein- und ausgingen, aber stets mit größeren Geldscheinen versorgt, laut lachend wieder verschwanden …

vom Glauben enttäuscht

die Suche nach der Wahrheit

bleibt stumm wie ein Grab

… werde ich Gott jemals verstehen?

Georges


Beim Gang der vier Autoren durch die architektonisch imposante klösterliche Anlage vermischen sich Geschichte, Religion und Wissenschaft mit ihren ganz persönlichen Gefühlen, Wahrnehmungen und Gedanken, denen sie in ihren jeweiligen Textbeiträgen Ausdruck verleihen.

Es ist aber auch die Weiterführung dieser Eindrücke in dem jeweils folgenden Kettenglied, welche das Renshi so lesenswert machen. Aus einem Aspekt ergibt sich ein weiterer, ein  neuer, der immer wieder auch in einem metaphysischen Gedankengang mündet. In der Gesamtschau ist das Renshi BE-GEISTERUNG eine kluge, nachdenkliche und sehr philosophische Retrospektive dieses Ausfluges in die Geschichte des Klosters Maria Laach.

Eine Leseprobe sowie die Begriffserklärung RENSHI finden sich unter https://bon-say.de/project/be-geisterung/ 

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Rezension von Rüdiger Jung:
Dorothea & Norbert Flemming, Gabriele & Georges Hartmann: BE-GEISTERUNG.
RENSHI. 24 Seiten. Höchstenbach: bon-say-verlag, 2024. 7 €
ISBN 978-3-945890-55-4.

„Dorothea und Norbert Flemming aus Wuppertal trafen sich mit Gabriele und Georges Hartmann aus dem Westerwald im Kloster Maria Laach, um sich von dessen Historie und Architektur“ (auch vom vulkanischen Ursprung der Maare!) „begeistern zu lassen.“

Die Form des Renshi fasziniert – nicht zuletzt, weil sie freier und offener wirkt als die (vermeintlich?) strengeren Konzepte von Renga und Renku. Im erläuternden Nachwort überzeugt nicht zuletzt das Konzept „Team-Work statt Konkurrenz“. Überdies bestechend der sinnliche Ausdruck dafür, wie ein Kettenglied der Dichtung an das vorangegangene anschließt: „die Autorin / der Autor“ ‚riecht‘ (nach Basho) den Duft der vorangegangenen Strophe“.

Im Blick auf Maria Laach ist der Leser / die Leserin eingeladen, sich durch die Texte von Kultur und Natur, Geschichte und Prägung des Ortes, seiner Stimmung und Atmosphäre berühren zu lassen. Das bedeutet nicht nur kostbare Bibliothek und Nachsinnen über den „Reichsdeputationshauptschluss“. von 1803 (Säkularisation!), sondern – sehr viel grundsätzlicher – die Frage, wie weit ich mich auf die christliche Basis der monastischen Welt einlassen möchte.

Für mich kommt das vor allem in den Beiträgen von Georges Hartmann zum Tragen – und die überzeugen mich literarisch vor allem da, wo sie die Frage in ihrer existenziellen Offenheit aushalten. Das wiederum geschieht für mich am ehesten in den dreizeiligen Zuspitzungen:

mutlos vorm Altar
alle Leitungen besetzt
„Please hold the line“

Bei aller Ermüdung („mutlos vorm Altar“): das Gespräch ist nicht abgebrochen, der Draht scheint nach wie vor offen.

Was oder wer war
für den Urknall zuständig?
Gott schweigt beharrlich

Wissenschaft stößt auf Glaube – aber das Ganze bleibt nicht im Vordergründigen stecken. Ist doch ein „Schweigen“ (so unergründlich es sich darstellen mag!) mehr als die bloße Abwesenheit von Rede, zumal „beharrlich“ erst einmal den sehr aktiven Part einer Intensivierung spielt. Noch drei andere Zeilen sind Georges in besonderer Weise zu danken, weil sie traumatische Erfahrung auf den Punkt bringen:

Erinnerungen
verweigern sich der Löschung
man bleibt drauf sitzen

Das mag Brennus, der Anführer der Kimbern und Teutonen, die seinerzeit Rom eroberten, nicht anders gesehen haben. Das „vae victis“, das „Wehe den Besiegten“, das er den Römern entgegenschleuderte, fiel schließlich – bei deutlich veränderter Sachlage – auf ihn selbst zurück. Norbert Flemming schließt das Renshi mit dieser wahrhaft janusköpfigen Formel ab.


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neu am 15. April 2024
ein Haiku von Gabriele Hartmann

Fastenzeit
mein Magen streicht
einen tiefen Ton

lent
my stomach strokes
a low note

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und ein Haibun von Gabriele Hartmann

Schneid

Während des Krieges wurde Mutter aus dem Ruhrgebiet in ein kleines Dorf evakuiert. Den Lebensunterhalt für sich und Großmutter hat sie durch Näharbeiten bestritten. Aus Fallschirmseide wurden Hochzeitskleider geschneidert, alte Mäntel in mühevoller Handarbeit getrennt, gewaschen, gebügelt, gewendet und anschließend zu „neuen“ Kostümen verarbeitet. Einmal hatte sie eine Nähnadel verschluckt, da kamen ihre Kundinnen und brachten Sauerkraut.

Dann endete der Krieg. Landesweit wurden Orden und Abzeichen in Güllegruben versenkt. Und Mutter blutete das Herz, weil sämtliche Uniformen verbrannt wurden. Was man daraus nicht noch alles hätte schneidern können!

eingeholt …
wehende Fahnen
im Wind

Grit

During the war, my mother was evacuated from the Ruhr area to a small village. She made a living for herself as my grandmother did by sewing. Wedding dresses were made from parachute silk, old coats were painstakingly separated by hand, washed, ironed, turned and then made into “new” suits. Once she had swallowed a sewing needle, so her customers came and brought sauerkraut.
Then the war ended. All over the country, medals and badges were dumped in slurry pits. And mother’s heart bled because all the uniforms were burned. What else could have been made out of them!

hauled down …
waving colors
in the wind

erst auf chrysanthemum.net Hrsg. Beate Conrad


***

neu am 15. April 2024
ein Haiku von Gabriele Hartmann

schattige Alleen
wir schieben uns
ins Licht

erst bei haiku-heute.de; Hrsg. Dr.Volker Friebel

***

neu am 8. April 2024
unsere Beiträge im Jahrbuch AUFBRÜCHE auf Haiku-heute.de

Gabriele Hartmann

einsetzender Regen
die Menge entfaltet
ihre Farben

Artilleriefeuer in der Ferne bellt ein Fuchs

zum Frühstück
Haferbrei – der Jüngste
beklagt sein Karma

gelöst
sein langes Haar im Wind
ziehende Wolken

heftet sich
an meine Fersen – die Nacht
ein bellender Hund

Steinway die Stille bevor er Platz nimmt

Mittsommer
das Bachbett füllt sich
mit Stille

Wahlsonntag
der Wind scheitelt
mein Haar

wieder Ostwind
mit der Zeitung hole ich
die Kälte ins Haus

Schleierwolken wir kondensieren und verlieren uns

trockener Husten
in einem Glas gefangen
der Mond

Georges Hartmann

Durch den Bahnhof
zur Arbeit – auf Gleis 1
der Zug nach Paris

***

Neumond
die Lücke am Tisch
wo Großmutter saß
vom Silberbesteck
fehlen die Messer

Michaela Kiock / Gabriele Hartmann

Sandelholz
wo wir uns trafen fällt
der letzte Vorhang
in deinen Augen
noch ein Funkeln

Gabriele Hartmann / Michaela Kiock


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neu am 5. April
2 Haiga von Georges und Gabriele Hartmann

Koexistenz

Foto Georges Hartmann

Koexistenz … wir finden Antwort auf die Parolen

Haiku Gabriele Hartmann

Friedensdemo


Foto Gabriele Hartmann

zur Friedensdemo
ein Grußwort
vom lieben Gott


Haiku Georges Hartmann

erst in der Ausstellung des Kunstforums Westerwald e.V. TANDEM
in der Sparkasse Westerwald Sieg in Montabaur

***

neu am 1. April 2024
ein Tan-Renga-Haiga von
Christof Blumentrath & Gabriele Hartmann

auch sie hört


auch sie hört
das Hämmern
in meinem Kopf

Spuren, die die Panzer
hinterließen

erst bei Haiga im Focus; Hrsg. Claudie Brefeld

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Und wo sind jetzt die all schönen Beiträge vor dem 1. April 2024?

Die waren nicht mehr neu genug für NEU.

Tipp:

Alle veröffentlichten Haiga finden Sie unter Markt / Haiga: https://bon-say.de/haiga/

und alle herausgegebenen Bücher mit ihren Rezensionen unter Verlag / Genre / Alle: https://bon-say.de/genre/

oder unter Verlag / Autoren / Alle: https://bon-say.de/autoren/

Viel Freude beim Stöbern wünscht

Gabriele Hartmann