„Schwimmhäute“, Gabriele Hartmann
16 Tanka
handgearbeitetes Miniaturbuch mit Lesezeichen, A6, 20 Seiten, 2018
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Eine Rezension von Horst-Oliver Buchholz
Sechzehn Tanka hat Gabriele Hartmann in diesem kleinen Büchlein vorgelegt, oder sollte man besser sagen: Sechzehn Geschichten werden hier erzählt? Denn das zeichnet die Verse in besonderer Art aus, dass sie im kleinen Sprachraum der fünf Zeilen einen weiten Erfahrungs- und Erzählraum öffnen, wie er selten zu finden ist. Die heikle Balance von Gegenwärtigem, konkreter und allgemeinerer Erfahrung und Einsicht ist hier äußerst fein austariert, wie in einem harmonischen Ganzen und doch zugleich spannungsreich in dieser Harmonie. Ein Beleg und Beispiel gefällig? Hier ist es:
mit steifen Beinen
stakst er vorbei am Haus
der Jugendliebe
aus dessen Fensterhöhlen
ihm Gardinen winken
Ein offenbar alter Mann „mit steifen Beinen“, schon schütter und ungelenk, „stakst“ vorbei am Haus seiner Jugendliebe. Er stakst vorbei, er bleibt nicht stehen, es gibt dort keinen Halt mehr (keine Hoffnung?) für ihn. Aus Fensterhöhlen („Höhlen“ wohlgemerkt, nicht einfach Fenster) winkt ihm niemand mehr zu, nur Gardinen, offenbar vom Winde oder Durchzug bewegt. Der Wind als Zeichen des Flüchtigen, des Vergehens-. Hier drängt sich alles zusammen in einem starken Bild, kraftvoll und zart zugleich – so entsteht Poesie hoher Güte. Diese Güte ist das verbindende Element der sechzehn Tanka, eine offene Klammer der Gedichte, von denen jedes einzelne tief ist, facettenreich und schillernd. Die Schwimmhäute“ von Gabriele Hartmann. die tragen den Leser weit.
Horst-Oliver Buchholz